Neueste Medien unter Kontrolle

Neueste Medien unter Kontrolle? Medien- und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die strittige Neugestaltung unserer Kommunikation

Interdisziplinäre Tagung am Institut für Medienkulturwissenschaft

Universität Freiburg

8. – 10. Dezember 2011

CALL FOR PAPERS

Das neugegründete Institut für Medienkulturwissenschaft in Freiburg lädt zu einer Tagung über die kulturelle Formung und gesellschaftliche Neugestaltung unseres Umgangs mit innovativen Kommunikationsmedien ein. Im Zentrum stehen dabei die gegenwärtigen Ansätze zu einer Kontrolle neuester Medien. Sie sollen durch historische, kulturelle und mediale Vergleiche kontextualisiert, relativiert und besser verstanden werden.

Zugangserschwerungsgesetz, Jugendmedienschutzstaatsvertrag, Urheberrechtsnovellen, Leistungsschutzrechte, Datenvorratsspeicherung, Street View, digitaler Radiergummi, Wikileaks und viele, viele mehr: In den letzten beiden Jahren sind politische und öffentliche Debatten (keineswegs nur) in Deutschland von einer zunehmenden Aufmerksamkeit für einen aktuellen und beschleunigten medialen Wandel geprägt. Die technologischen, aber auch konventionellen und gesellschaftlichen Veränderungen, die die Einführung und Verbreitung der neuesten Medien mit sich bringen, werden als Gelegenheit, Verunsicherung, Bedrohung oder Herausforderung wahrgenommen. Mit der Bedeutung der neuesten Medien steigen auch die Reichweite ihrer Kontrolle und die Signifikanz ihrer kulturellen Gestaltung: Die Entscheidungen, die jetzt fallen, sind darauf angelegt, unsere kommunikative Lebenswelt auf absehbare Zeit zu bestimmen.

Gerade deshalb ist die Gestaltung der Rahmenbedingungen für den Gebrauch der neuesten Medien in höchstem Maße strittig: Vom Vorwurf der Zensur bis zur Warnung vor rechtsfreien Räumen erstreckt sich ein vielfältiges Spektrum an Debatten, die in einem gemeinsamen Fokus auf mediale Kontrolle zusammenfinden: Kontrolle der Medien und durch die Medien, ihre Ausweitung oder Beschränkung, ihre Möglichkeit und Unmöglichkeit, ihre staatliche Zentralisierung, ihre marktwirtschaftliche Monopolisierung oder ihre Unterwerfung gegenüber einer individuellen Autonomie, die als informationelle und mediale Selbstbestimmung konzipiert wird. Die Freiheit des Einzelnen besteht dann in der Kompetenz, die eigene kommunikative Einbeziehung möglichst weitgehend selbst zu kontrollieren. Kontrollbemühungen erscheinen in diesen Debatten ebenso als Versuche einer Antwort auf die Komplexitätssteigerung durch neueste Medien wie als ungebrochene Realisierung ihrer Möglichkeiten.

Inwiefern dabei technische Innovationen gesellschaftliche Entwicklungen vor sich hertreiben oder weiterreichende soziale Veränderungen sich in medialen Formen niederschlagen, ist nur schwer zu entscheiden. Eine Reduktion der Veränderungen und der begleitenden Diskurse allein auf technische Gegebenheiten greift aber in jedem Fall zu kurz: Die kulturelle und diskursive Formung der Technologie, die Etablierung neuer Gewohnheiten und Konzeptionen im praktischen Umgang mit Kommunikationsmedien und in der alltäglichen Kommunikation bedürfen einer differenzierten Erforschung, Beschreibung und Bewertung. Eine solche Beobachtung muß über eine Naturalisierung neuer Technologie als vermeintlich unaufhaltbarer Gang der Welt ebenso hinausgehen wie über die bloße Verteidigung traditioneller Strukturen gegen vermeintliche Störungen.

Diese Tagung verfolgt das Ziel, die angezeigte Erweiterung der Perspektive durch eine vergleichende Herangehensweise zu bewerkstelligen: Die jetzigen Veränderungen, Beobachtungen und Diskurse sollen zu medialen Brüchen in anderen Zeiten, anderen Kulturen und in verschiedenen Medien in Beziehung gesetzt werden.

So sollen zwei unbefriedigende Positionen überwunden werden, die beide eine historische, kulturelle und mediale Einzigartigkeit voraussetzen: Jene, die den technologischen Wandel der Gegenwart für so fremdartig erklärt, daß für seine Beschreibung und Bewältigung überhaupt keine Begriffe zur Verfügung stünden; und jene, die die bestehenden Konzepte vor diesem Wandel als geschichtsübergreifende Konstanten einsetzt, gegen die kein kohärenter Entwurf medialer Weltgestaltung verstoßen könne. Stattdessen gilt es, die historische Spezifizität der gegenwärtig etablierten Normen ebenso in den Blick zu nehmen wie die Verfahren, die im Zuge ihrer Etablierung frühere mediale Umbrüche bewältigt haben. Es gilt, vermeintlich unhintergehbare Begriffe und vermeintlich offensichtliche Folgen technologischer Innovation im interkulturellen Vergleich zu überprüfen. Und es gilt, in diesem erweiterten Zusammenhang die angenommenen medialen Unterschiede noch einmal kritisch darauf zu befragen, welche Veränderungen den neuesten Medien genuin eignen, welche vielmehr aus weiterreichenden gesellschaftlichen Veränderungen erwachsen, und welche Medienbeschreibungen der Verschränkung beider Aspekte am besten gerecht werden.

Auf dieser interdisziplinären Tagung sollen deshalb verschiedene kulturwissenschaftliche Perspektiven zusammengeführt werden, die Kontexte und vergleichende Perspektiven herstellen können. Beiträge aus den Medien-, Sprach- und Literaturwissenschaften, der Philosophie, der Rechtswissenschaft, der Politikwissenschaft und der Soziologie sollen eine gemeinsame Diskussion und Verständigung ermöglichen. Dabei sollen neben der Auseinandersetzung mit grundlegenden Begriffen zur Beschreibung medialer Kontrolle und der Diskussion aktueller Phänomene und Debatten die Suche nach Orientierungen im Vordergrund stehen, die aus komparativen Blickwinkeln möglich werden.

Beiträge können sich daher unter anderem an den folgenden fünf Schwerpunkten orientieren:

1. Beschreibungsmöglichkeiten: Begriffe medialer Kontrolle

Welche Begriffe und Verfahren stehen gegenwärtig zur Beschreibung medialer Kontrolle zur Verfügung? Wie können wir Prozesse der Kontrolle von der im engsten Sinne verstandenen Zensur und Propaganda über Schutzrechte, etwa für Jugend und Person, bis zu Eigentums- und Urheberrechten an Texten fassen? Wie sind sie mit der impliziten Kontrolle medialer und technischer Dispositive verschränkt?

2. Aktuelle Phänomene und Debatten

Welche Entwicklungen und Fragen sind im Zuge des medialen Wandels heute aktuell? Wie gestalten sich die verschiedenen Diskurse und Strategien, die sie bewältigen wollen? Welche gegenwärtigen Veränderungen entgehen bislang dem öffentlichen Diskurs?

3. Historische Umbrüche

An welche historischen Zusammenhänge sind etablierte Begriffe und Prozesse zur Strukturierung medialen Handelns gebunden? Wie spezifisch sind Konzepte unter anderem der Urheberschaft, der Öffentlichkeit, der Meinungs- und der Pressefreiheit für die gesellschaftlichen und technologischen Bedingungen der langen Moderne? Inwiefern sind sie etwa an Mechanismen billiger Druckverfahren, massenmediale Asymmetrien zwischen Produzent und Rezipienten, oder an bürgerliche Emanzipationsprozesse gebunden? Welche Strategien ließen sich im Zuge der Einsetzung dieser Normen sowie bei anderen medialen Umbrüchen beobachten? Wie wurden ähnliche Fragen zu anderen Zeiten anders beantwortet?

4. Kulturelle Vergleiche

Wie selbstverständlich sind die Begriffe und Vorannahmen, die in den Debatten zur gegenwärtigen medialen Veränderung in Deutschland eingesetzt werden? Welche Ähnlichkeiten und Unterschiede bestehen zwischen aktuellen Phänomenen medialen Wandels und medialer Kontrolle in verschiedenen Sprachen, Kulturen und Traditionen? Welche Differenzen lassen sich zwischen verschiedenen Subkulturen beobachten?

5. Mediale Unterschiede

An welchen Differenzen kann sich die Beobachtung eines Übergangs von einem Bündel medialer Konventionen zu einem anderen orientieren? Welche technischen, gesellschaftlichen und konzeptionellen Bedingungen sind Ausgangspunkt echter Veränderungen, und in welchen Weisen sind sie von diesen Veränderungen betroffen?

Kurze Abstracts für halbstündige Beiträge mit kurzen biobibliographischen Angaben sind bis 15. Mai 2011 erbeten (per Mail als pdf oder rtf). Alle Beiträge sollen an eine interdisziplinäre Diskussionsrunde adressiert sein.

Aktuelle Informationen auch unter www.nmuk2011.de . Kontakt für Rückfragen und Abstracts:

Dr. Stephan Packard

Juniorprofessor für Medienkulturwissenschaft

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Werthmannstraße 16

79098 Freiburg

Tel. +49-761-203-97842

stephan.packard@medienkultur.uni-freiburg.de

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