Anschauen und Vorstellen

Anschauen und Vorstellen. Gelenkte Imagination im Kino

Internationale filmwissenschaftliche Tagung

Bremen

24. bis 27. März 2011

CALL FOR PAPERS

Nach klassischen Beschreibungsmustern ist das Kino nicht primär ein Ort der Imagination. Es ist vielmehr Schauplatz der unmittelbaren Bildpräsenz. Was uns entgegentritt, hat zudem die größtmögliche Dichte an optischer Repräsentation. Das Bild ist deshalb immer strukturell überkodiert, insofern nicht alle Bedeutungs-gehalte zugleich in der Rezeption zu erfassen sind. Im Anschauen als einem zeitlich vorstrukturierten, durch Mise en scène und Montage gesteuerten Erfassen möglicher (nicht nur narrativer) Informationen erschöpft sich die Tätigkeit des Zuschauers aber keineswegs. Gelenkt wird auch die Imagination durch zum Teil explizite Markierungen im Filmtext. Diese imaginativen Ergänzungen sind notwendig, um einen Film verstehen zu können. Sie steuern aber auch ganz erheblich die emotionale Bindung des Zu-schauers an einen Film. Die suggestive Bildwirkung allein reicht nicht aus, um diesen Prozess sinnvoll zu erfassen. Die Dialektik von Zeigen und Verbergen, Andeuten und erneutem Entziehen dessen, was den Betrachter affiziert, haben bestimmte Genres bereits zur Perfektion ausgereizt. Eine vorausgehende Berliner Tagung Auslassen, Andeuten, Auffüllen wird im Dezember 2010 die theoretischen Rahmenparameter dieses bislang zu Unrecht ver-nachlässigten Arbeitsbereichs untersuchen. Uns geht es hingegen primär um die Beschreibung imaginativer Leistungen an konkreten Einzelbeispielen. Gibt es Autoren, Genres, Filmstile, die besonders häufig die imaginative Mitarbeit des Rezipienten erfordern? Gilt das vor allem für narrative Filme? Hat der Dokumentarfilm eine eigene Ästhetik der filmischen Imagination ausgebildet? Regen fiktionale oder faktuale Filme mehr die Vorstellungskraft an? Steigern oder schwächen Synästhesien die je verschiedene Fähigkeit der Einbildung?

Imagination wird hier also dezidiert nicht verstanden als ein Prozess, der im Filmtext selbst manifest thematisch wäre. Es geht nicht um das explizite oder implizite Traumbewusstsein, das der Film projiziert oder das sich im Zuschauer als suggerierter Inhalt in dessen Imagination fortsetzt. Vorstellen wird stattdessen verstanden als Teil der Bewältigungsleistung im emotionalen Haushalt des Rezipi-enten und als Teil der Verstehensarbeit in der Konstruktion semantischer Gehalte. Das gilt insbesondere für den Aufbau der Diegese oder die Generierung des Plots sowie für die intellektuelle Arbeit intermedialer Verweise, die das Filmerlebnis mit dem Weltwissen synthetisiert. Die imaginative Ergänzung kann dabei sowohl konkret und unmittelbar bildlich ausfallen als auch abstrakt und vermittelt, durch die Synthese begrifflicher Konstrukte oder durch narrative Versatzstücke erfolgen. Die Tagung wird Beispiele aus verschiedenen Epochen der Kinogeschichte un-tersuchen. Eine Sektion (5) widmet sich ausführlich den unterschiedlichen Modali-täten der sinnlichen Evokation durch Musik, Geräusch, Bild, Text und gesprochene Sprache, den Besonderheiten der Visualisierung des Olfaktorischen und Hapti-schen, den Sprachsubstitutionen, Raumkonzepten und den Synästhesien. Ein gesonderter Arbeitsbereich bündelt die Erträge diverser Methodologien am selben Filmtext (Sektion 6) mit Beiträgen etwa aus Neoformalismus, Kognitions-theorie und Konstruktivismus, der Linguistik und Semiotik, Diskurstheorie und Pragmatik, Narratologie und Fiktionstheorie, Inter- und Transmedialitätsforschung, Textualitätstheorien, Rezeptionsästhetik, Gendertheorie, Psychoanalyse und De-konstruktion, Transkulturalitätsforschung und Diskursanalyse. Um eine Vergleich-barkeit der verschiedenen Ansätze herzustellen, wählen wir einen bekannten, neueren Film aus: Das weiße Band. Eine deutsche Kindergeschichte von Michael Haneke. Die vier weiteren Sektionen entfalten Spielarten der gelenkten Imagination, die im obigen Text bereits angerissen wurden. Vorträge (von 30 Minuten Dauer) sollten demnach auf die nachfolgend aufgeliste-ten Sektionen bezogen sein. Wir bitten, die Beitragsvorschläge (Exposés mit maxi-mal 300 Wörtern) entsprechend selbst zuzuordnen:

Sektion 1: Schock, Suspense, Spannung

Sektion 2: Empathie durch Vorstellen

Sektion 3: Bewältigung von Emotionen

Sektion 4: Intermediale Imagination und Weltwissen

Sektion 5: Verfahren der sinnlichen Evokation

Sektion 6: Methodologische Probe (zu Das weiße Band)

Organisatorisches

Eine Vorbereitungsgruppe befasst sich mit der Auswahl der Exposés. Zu ihr gehören: Prof. Dr. John Bateman, Anja-Magali Bitter, M. A., Jihae Chung, M. A. und Dr. Heinz-Peter Preußer (alle Universität Bremen) Ihre Themenvorschläge, Arbeitstitel und Exposés richten Sie bitte per E-Mail an Heinz-Peter Preußer: preusser@uni-bremen.de.

Die Veranstaltung versteht sich als Fortführung der Berliner Tagung Auslassen, Andeuten, Auffüllen, die vom 9. bis 11. Dezember 2010 stattfinden wird. Verantwortlich dafür sind Dr. Julian Hanich (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Hans Jürgen Wulff (Universität Kiel).

Für unser Bremer Symposion sind drei Tage eingeplant: Freitag, Samstag, Sonntag; ggf. mit einem Empfang zuvor am Donnerstagabend. Die Daten sind: 25., 26., 27. März, evt. auch der 24. März 2011 (Anreise und Empfang). Abreise wird voraussichtlich am Sonntagmittag oder am frühen Nachmittag sein. Bitte antworten Sie uns mit Ihrem Vorschlag zum Tagungsbeitrag bis zum 19. September 2010. Rückmeldungen erhalten Sie bis zum 30. September 2010. Einen Antrag auf Finanzierung an die DFG richten wir Anfang Oktober 2010. In der Anlage dazu werden wir auch die von Ihnen übermittelten Exposés (ggf. auszugsweise) verwenden, sollten Sie zu der Tagung eingeladen werden. Konferenzsprachen sind deutsch und englisch. Weitere Informationen Die Tagung wird getragen durch die DoktorandInnengruppe Textualität des Films und das Bremer Institut für transmediale Textualitätsforschung, BITT; beide gehören dem Fachbereich 10 der Universität Bremen an. Hinweise zu den Trägern der Veranstaltung finden Sie im Netz unter: http://www.fb10.uni-bremen.de/film/

HINWEIS: Dieser Call for Papers ist eine Übernahme aus einer anderen Informationsquelle. JLTonline publiziert ihn lediglich als Service und ist für die Inhalte und ihre Richtigkeit nicht verantwortlich.